Hintergrundbericht Kambodscha
Das düstere Vermächtnis der Roten Khmer
Im Gegensatz zu einigen Regionen Afrikas verfügt Kambodscha eigentlich über deutliche bessere Bedingungen, um etwa eine Agrarwirtschaft zu betrieben, wie wir sie aus den Nachbarländern Thailand und Vietnam kennen. Warum also ist das Land so arm und so rückständig? Ein Blick in die Geschichtsbücher hilft bei der Erklärung.
Ab 1965 weitete sich der Vietnam-Krieg immer mehr auf Kambodscha aus. Ab 1969 bombardierten die Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika regelmässig die Vietcong-Stützpunkte in Grenznähe. Im Land selbst kam es zum Streit zwischen Staatschef Norodom Sihanouk und dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Lon Nol, der bis zum erfolgreichen Staatsstreich durch General Lon Nol eskalierte. Das Land versank in Kriegswirren, die bis 1975 zu einer massiven Instabilität führten. Die Zeit der zuvor aus dem Untergrund agierenden Roten Khmer war angebrochen! Sie stürzten den von Amerika unterstützen Lon Nol, um an die Macht zu kommen. Am 17. April 1975 eroberten sie unter Pol Pot die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh und riefen die Volksrepublik Demokratisches Kampuchea aus. Diese sollte Bestand haben bis zur Eroberung Phnom Penhs durch vietnamesische Truppen am 7. Januar 1979. Die dunkelsten dreieinhalb Jahre eines Landes, das seither noch zahlreiche andre dunkle Zeiten durchmachen musste.
Pol Pots Terrorregime
Die Roten Khmer etablierten ein radikal-kommunistisches System, dessen Ziel der Erschaffung einer agrarisch geprägten Gesellschaft war. Die Stadtbevölkerung wurde zum Klassenfeind erklärt, der die ländliche Bevölkerung ausbeutete. Die Roten Khmer liessen alle Städte räumen und zwangen die Bevölkerung zur Landarbeit. Bei den gewaltsamen Umsiedlungen starben zehntausende Kambodschaner.[1]
«Leuchtend rotes Blut bedeckt die Städte und Ebenen von Kampuchea. Erhabenes Blut der Arbeiter und Bauern, erhabenes Blut der Revolutionäre und Kämpferinnen. (…) Es fliesst in Strömen und steigt empor zum Himmel und verwandelt sich in die rote Fahne der Revolution.»
Jegliche Form der Religionsausübung und des Privatbesitzes wurden verboten, Geld als Zahlungsmittel abgeschafft. Schulen, Betriebe und kulturelle Einrichtungen wurden zerstört.[1]
Und auch die Polizei, Staatsbeamte sowie die Armee waren von massiven Säuberungsmassnahmen betroffen. Das Tragen schwarzer Einheitskleidung wurde vorgeschrieben, um jegliche Individualität zu verhindern. Die Bevölkerung wurde konstant überwacht und selbst bei kleinsten Anlässen drohten grauenhafte Folter und Tod. 1,7 Mio. Kambodschaner starben während der Terrorherrschaft der Roten Khmer. Ein beispielloser Genozid am eigenen Volk.[2]
DAs Bildungswesen schwächelt bis heute
Das Regime liess fast die gesamte intellektuelle Elite ermorden. Als intellektuell galten schon Menschen, die lesen konnten oder eine Brille trugen. 15’000 der damals 22’000 Lehrerinnen und Lehrer wurden getötet. In einem ähnlichen Verhältnis dürfte es die Lehrkräfte der ebenfalls geschlossenen Universität getroffenen haben. Eine Katastrophe.
Denn ein Land braucht Lehrerinnen imd Lehrer, die die Jungend unterrichten, braucht Professorinnen und Professoren, die ihr Fachwissen weitergeben. Kambodscha fehlt es an beidem. Rund 25 Jahre nach dem offiziellen Ende des dritten Indochinakrieges im Dezember 1998 ist das Niveau der universitären Lehre eher als unterdurchschnittlich zu bewerten und das Niveau der lokalen Schulen ist atemberaubend schlecht. Es fehlt einer ganzen Generation an Wissen. Und es dürfte noch mindestens eine weitere Generation dauern, bis das Niveau zum Beispiel im Bereich der landwirtschaftlichen Techniken aufgeholt ist. Drücken wir dem grossartigen Land die Daumen, dass es dann nicht zu spät ist.
[1] Der Spiegel (7.3.1978)
[2] Bundeszentrale für politische Bildung (2015) «Vor 40 Jahren: Beginn der Terrorherrschaft der Roten Khmer»